Tesla Ansiedlung in Grünheide darf nicht Blaupause für Deutschland werden

Pressemitteilung 12.01.2021
NABU Kreisverband Fürstenwalde e.V.
Verein für Natur und Landschaft Brandenburg e.V.

Mit einer großen medialen Aufmerksamkeit wird derzeit die Tesla-“Gigafactory“ in Grünheide gebaut und die Geschwindigkeit, mit der das Verfahren vorangetrieben wird, teils bestaunt, teils sogar bewundert. Betrachtet man das Geschehen mit etwas kritischerem Blick, zeigt dieses Vorhaben sehr deutlich, welche Gefahren gerade in seiner übereilten Umsetzung liegen. Ebenso zeigt sich, dass nicht jeder Standort für ein solches Vorhaben geeignet ist, auch wenn bestimmte Faktoren wie etwa die Berlin-Nähe verlockend erscheinen mögen.

Als bauplanungsrechtliche Grundlage für die Errichtung des Werkes soll ein fast 20 Jahre alter Bebauungsplan (B-Plan) von 2001 dienen. Dieser B-Plan wurde im Rahmen eines öffentlichen Bewerberverfahrens eines deutschen Automobilherstellers erstellt, der einen Standort für die Errichtung eines Montagewerkes suchte, sich bekanntermaßen in der Folge jedoch nicht in Grünheide angesiedelt hat.

Die für die Bauleitplanung erforderliche Ausgliederung einer Fläche von 300 ha Wald aus dem Landschaftsschutzgebiet erfolgte seinerzeit verbunden mit der Zusage seitens der damaligen Gemeindeverwaltung, die Fläche wieder in das Landschaftsschutzgebiet einzugliedern, wenn das Werk nicht errichtet wird. Entgegen dieser Zusage erfolgte keine Wiedereingliederung der Fläche in das Landschaftsschutzgebiet „Müggelspree-Löcknitzer Wald- und Seengebiet“. Stattdessen wurde dieser B-Plan offiziell festgesetzt und nach der vollzogenen Gemeindegebietsreform 2003 mehr oder weniger unbemerkt von der Öffentlichkeit rechtsgültig durch amtliche Bekanntmachung im August 2004.

Im Handeln der Gemeindeverwaltung war allerdings auch in den folgenden Jahren absolut nichts im Hinblick auf ein Festhalten an dem betreffenden B-Plan oder eine Umsetzung der planerischen Festsetzungen erkennbar. Vielmehr fand seit 2001 in dem Waldgebiet sogar eine Waldumwandlung durch Unterpflanzung der Kiefern mit Laubbäumen durch den Landesforstbetrieb statt. Ungeachtet dieser tatsächlichen Umstände soll diese obsolete Bauleitplanung nun dennoch als Grundlage der Tesla-Ansiedlung herangezogen werden.

Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) liegt auch fast ein Jahr nach Baubeginn noch nicht vor. Der Bau erfolgt weiterhin lediglich auf der Grundlage sog. Zulassungen vorzeitigen Beginns nach § 8a BImSchG. Diese Vorschrift wurde in den 1990er Jahren angesichts der De-Industrialisierung weiter Teile Ost-Deutschlands in das Bundes-Immissionsschutzgesetz eingefügt und ermöglicht einen vorzeitigen Baubeginn als Ausnahmeregelung. Diese – im Übrigen von Anfang an rechtlich nicht unumstrittene – Regelung ist jedenfalls angesichts der aktuellen Umweltsituation nicht mehr zeitgemäß.

Wie hier in Grünheide sichtbar ermöglicht sie die Realisierung von riesigen Industrievorhaben ohne Abschluss der gesetzlich vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern lediglich auf der Basis sogenannter „Prognosen“ für die voraussichtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens. Es werden vollendete Tatsachen geschaffen, bevor das immissionsschutzrechtliche Verfahren seine präventive Funktion hat erfüllen können. Eine tatsächliche Prüfung der Umweltauswirkungen des Bauvorhabens findet bestenfalls „baubegleitend“ statt. Wesentliche Belange des Natur- und Umweltschutzes werden ausgehebelt. Diese Vorgehensweise ist eines entwickelten Industrielandes mit einer aus gutem Grunde anspruchsvollen Umweltgesetzgebung, die teilweise auch der Umsetzung bindenden EU-Rechts dient, unwürdig.

Mittlerweile wurde auf der Grundlage diverser Zulassungen vorzeitigen Beginns nach § 8a BImSchG die Tesla-“Gigafactory“ fast vollständig im Rohbau errichtet. Rund 300 Mill. Euro, rund ein Drittel der vorgesehenen Investitionssumme, wurden bisher verbaut. Als Sicherheitsleistung für einen möglichen Rückbau hat das Landesamt für Umwelt 100 Mill. Euro festgelegt. Das bedeutet: Im Fall eines Rückbaus würden dem Investor 400 Mill. Euro verloren gehen.

Kann der durch diesen bisherigen Verfahrensgang erzeugte Genehmigungsdruck eine objektive Sachentscheidung im Genehmigungsverfahren noch erwarten lassen – zumal seitens der politischen Entscheidungsträger immer wieder auf die vermeintliche Bedeutung dieser Industrieansiedlung für den Wirtschaftsstandort Brandenburg bzw. Deutschland verwiesen wird?

Die Tesla-“Gigafactory“ wird zum großen Teil in einem Wasserschutzgebiet errichtet. Dadurch entstehen Gefahren durch Verunreinigung des Grundwassers und für die Grundwasserneubildung. Darüber hinaus hat Tesla einen Wasserbedarf von rund 1,4 Millionen Kubikmeter allein für die erste Ausbaustufe angegeben. Das entspricht pro Fahrzeug in etwa der doppelten Menge, die für die Herstellung von E-PKW bei Volkswagen in Zwickau benötigt wird. Der Wasserbedarf von zukünftigen Ausbaustufen kann aus der Region nicht gedeckt werden. Benachbarte Wasserversorger sind ebenfalls nicht in der Lage, den Wasserbedarf zu decken. Bisher weigert sich Tesla, einen geschlossen Wasserkreislauf zu etablieren. Wie in anderen Teilen Deutschlands wird dadurch die Wasserproblematik deutlich verschärft.

Dass ein solches Vorgehen wie hier ohne ausreichende Prüfung der Umweltauswirkungen möglich ist, lässt eine gewisse politische Einflussnahme der Brandenburger Landesregierung auf das Genehmigungsverfahren vermuten. Bereits kurz nach Verkündung des Vorhabens wurde bekanntlich die Maxime „Wer diese Ansiedlung an einer Fledermaus scheitern lässt, wird hier politisch keinen Fuß mehr in die Tür bekommen“ herausgegeben.

Von den Parteien, die die aktuelle Umweltgesetzgebung in Deutschland selbst mit auf den Weg gebracht haben und von denen vehement und berechtigterweise auch die Einhaltung von Umweltstandards im Ausland gefordert wird, werden bei dem vorliegenden Bauvorhaben nun aufgrund seiner vermeintlichen Bedeutung für den Klimaschutz plötzlich weitreichende Abstriche beim Umwelt- und Artenschutz gefordert.

In Zeiten des Klimawandels, des Arten- und Waldsterbens und der Austrocknung weiter Teile Deutschlands ist eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen zum Schutz unserer natürlichen Umwelt dringend erforderlich. Wenn jedoch das Tesla-Vorhaben Anlass zu gesetzlichen Änderungen gibt, dann jedenfalls nicht im Sinne einer weiteren Aushöhlung des Umwelt- und Naturschutzrechts, nur um Industrie-Investments noch zügiger voranzubringen, sondern um wieder einen zeitgemäßen Umwelt- und Artenschutz sicherzustellen.

Basierend auf den Erfahrungen mit der Ansiedlung der Tesla-“Gigafactory“ fordern der Verein für Natur und Landschaft Brandenburg e.V. und der NABU Kreisverband Fürstenwalde e.V. daher:

1. Es sind bindende gesetzliche Fristen einzuführen, innerhalb derer bauleitplanerische Festsetzungen ins Werk zu setzen sind; andernfalls verlieren die betreffenden Festsetzungen kraft Gesetzes ihre Gültigkeit.

2. Der § 8a BImSchG, der ein Realisieren großer Industrievorhaben auf der Grundlage vorzeitiger Zulassungen ohne ausreichende Umweltprüfung erlaubt, muss ersatzlos abgeschafft werden.

3. Für moderne Industrieansiedlungen sollte grundsätzlich ein geschlossener Wasserkreislauf zum vorgeschriebenen Standard werden.

Der Verein für Natur und Landschaft Brandenburg e.V. wurde im Oktober 2020 durch die Mitglieder der Bürgerinitiative Grünheide gegründet.